Retinal Rivalry

(3D motion picture, DCI DCP, dual 4k Projektion | projection bei | at 120fps)
2 Channel Audio, 29:03 min, 2024

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht Cyprien Gaillards neuester stereoskopischer Film Retinal Rivalry (2024), der teilweise in München gedreht und vom Haus der Kunst koproduziert wurde. Gaillard nutzt das Potenzial modernster Technologie voll aus und bietet eine erweiterte, geschärfte und tief bewegende neue Sicht auf die Welt um uns herum. Dieses für das Oeuvre des Künstlers wegweisende Werk definiert das bewegte Bild als Skulptur neu.

Der Titel Retinal Rivalry geht auf ein visuelles Phänomen zurück, das auftritt, wenn das Gehirn zwei widersprüchliche Bilder gleichzeitig empfängt. Anstatt zu einer einzigen dreidimensionalen Wahrnehmung zu verschmelzen, wechselt das neuronale System zwischen der Priorisierung eines Bildes und der Unterdrückung des anderen, was bei den Betrachter*innen einen Zustand der Verwirrung und Unruhe hervorruft.

Die Bilder dehnen sich rhythmisch aus und ziehen sich wieder zusammen, wobei sie Größe, Textur und Tiefe der gezeigten Orte manipulieren, bis diese vertrauten Orte unheimlich erscheinen. Indem er die Verzerrungen und Grenzen der Darstellung offenlegt, gibt Gaillard das Alltägliche in gesteigerter Detailgenauigkeit wieder, destabilisiert gewohnte Sichtweisen und bietet eine hypervisionäre Version der Realität. Mit einer Bildfrequenz von 120 Bildern pro Sekunde und einer Projektionsgeschwindigkeit, die fünfmal schneller ist als im Kino, fängt Gaillard ein, was jenseits der Grenze der menschlichen Wahrnehmung liegt.

Das Werk entfaltet sich als faszinierende Reise durch Deutschlands Stadtlandschaften und ihre dichten Schichten historischer und sozialer Bedeutung. Es führt uns durch unterschiedliche Zeitebenen und an unerreichbare städtische Orte– in Müllcontainer, unterirdische Arterien, feuchte Terrains und zu dem fieberhaften Blick aus den Augen der Bavaria während des Oktoberfestes. In seinem skulpturalen und psychedelischen Raum stört das Werk die konventionelle Wahrnehmung, löst die Erzählung auf und offenbart eine klare Vision.

Zudem gibt es eine akustische Ebene. Die Komposition mischt verschiedene Quellen: überarbeitete indonesische Instrumentalmusik, Feldaufnahmen von schweren Maschinen, und sogar ein Würgen, das seltsam melodisch klingt. Sie zitiert den Anfang von Werner Herzogs Aguirre, der Zorn Gottes (1972) mit der Ouvertüre von Popol Vuh. Bild und Ton laufen oft nicht synchron und kommen nur einmal zusammen: wenn ein gebrochenes Bein das Pedal einer Orgel drückt und versucht, Bach zu spielen, aber das Stück immer wieder ins Stocken gerät.

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