“Ich möchte die Unterscheidung zwischen Reflektion und Aktion zum Kollabieren bringen. Die Welt fällt auseinander. Wer bezieht dazu Stellung, und wer verhält sich passiv?” Lamin Fofana

Anlässlich von Echoes wird A call to disorder in den Gang der Westgalerie verlegt und ist dort bis zum 13.3.22 frei zugänglich. Lamin Fofana ist am 5.3.22 im Rahmen von Echoes mit der Sound Performance Here Lies Universality / Unfinished Elegy zu erleben. Weitere Informationen zur Fortsetzung der Reihe Tune ab April finden Sie hier.

Lamin Fofana realisiert eine akustische Auftragsarbeit für den Terrassensaal im Haus der Kunst mit dem Titel A call to disorder. Seine multisensorische Installation bezieht auch Geruch, Licht und Atmosphäre mit ein. Zusätzlich veranstaltet Fofana mehrere akustische Happenings. Seine erste Live-Performance fand am 7.7.21 statt und trug den Titel Ode an die Unreinheit.  

Mit den Mitteln des Klangs nimmt Fofana sein Publikum mit in den Bereich der Traumbilder, in dem wie ein Echo zyklische Erzählformen unserer Vorfahren nachklingen. Seine elektronische Instrumentalmusik bringt Ideen zu Blackness, Migration, Vertreibung und Race mit etwas Jenseitigem in Verbindung und rückt nichtlineares Denken und Erleben in den Mittelpunkt. Die Elegie Here lies universality beklagt die Dominanz westlicher Musiktheorie: Deren Grundstruktur habe ihre Wurzeln im Erbe der Aufklärung, im Imperialismus und Weißer Vorherrschaft mit ihren anhaltenden Mechanismen der Ausgrenzung. 

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„A call to disorder“(-g8uZ7AFTO4)

Fofanas eng verwobene Interessen an Geschichte, an heutigen Zuständen und seine Methode, Text in das emotionale Medium des Klanges zu übersetzen, drücken sich in multisensorischen Live-Performances und großen, minimalistischen Installationen mit Originalkompositionen, Feldaufnahmen und Archivmaterial aus. Sein Ziel besteht darin, „einen Raum der Begegnung zu schaffen, in dem kollektiv zugehört, geträumt, das Undenkbare gedacht wird.“ Er macht gleichzeitig deutlich, dass Dissonanz und Störung hier ebenso thematisiert werden wie Harmonie.    

A call to disorder ist inspiriert von der bahnbrechenden Arbeit von Fred Moten and Stefano Harney, The Undercommons, worin sich ein Ruf nach Chaos oder Wildheit, nach Lärm, Kakophonie und dem Außermusikalischen ausdrückt. Da die Aufmerksamkeit für die historischen Nachwirkungen institutionalisierter Unterdrückung gegenwärtig zunimmt, sind die Reflektionsräume, die Fofanas Arbeit eröffnet, aktueller denn je.

Lamin Fofana, Xperience Darkwater Vinyl, Photo: Nicolas Premier
Lamin Fofana, Xperience Darkwater Vinyl, Photo: Nicolas Premier
Lamin Fofana, 2020, Photo: Isabel Otoole For The Wire Magazine, Issue 442, December 2020.
Lamin Fofana, 2020, Photo: Isabel Otoole For The Wire Magazine, Issue 442, December 2020.
Lamin Fofana, film still from video "I Ran From It And Was Still In It", Photo: Nicolas Premier
Lamin Fofana, film still from video "I Ran From It And Was Still In It", Photo: Nicolas Premier
Lamin Fofana, Photo: Ink Agop
Lamin Fofana, Photo: Ink Agop

Fofana lebt und arbeitet in Berlin als Künstler und Musikproduzent. Er wuchs in Sierra Leone und Guinea auf, zog 1997 in die USA und 2016 nach Deutschland. Er wurde bekannt sowohl im Bereich der elektronischen Musik als auch in der bildenden Kunst. Seine jüngste musikalische Arbeit erschien 2020 auf drei Alben als Trilogie; sie betrachtet historische und epistemologische Verläufe zeitgenössischen gesellschaftlichen und politischen Denkens durch die Linse der Black Studies. Das erste Album, Black Metamorphosis, ist inspiriert von Sylvia Wynters gleichnamigem unveröffentlichtem Manuskript und stellt die Frage, was geschieht, wenn afrikanische Ästhetik in den Westen übertragen wird. Für das zweite, Darkwater, wandte sich Fofana dem legendären schwarzen Schriftsteller, Wissenschaftler, Aktivisten und erstem promovierten Afroamerikaner der Geschichte W. E. B. Du Bois zu. I Ran From It And Was Still In It stammt aus Fofanas Adaption von Darkwater: Voices from within the Veil, einer Sammlung autobiografischer Aufsätze und spekulativer Belletristik von 1920. Das dritte Album, Blues, ist eine meditative Antwort auf Amiri Barakas Blues People: Negro Music in White America (1963).

In diesem Jahr beauftragte ihn die Biennale von Liverpool mit einer Arbeit und er wurde für den Preis der Nationalgalerie nominiert. Weitere Ausstellungen in letzter Zeit umfassen Blues in der Mishkin Gallery am Baruch College, City University of New York (2020), Refracted Gazes/Fugitive Dreams in der Akademie Schloss Solitude, Stuttgart (2019), WITNESS bei der 57. Biennale von Venedig (2017) sowie Performances bei der documenta 14 in Kassel und Athen (2017).