Das Werk von Rirkrit Tiravanija (geb. 1961, Buenos Aires) wird im Mai an verschiedenen Orten im Haus der Kunst in einer dezentralen Ausstellung zu sehen sein. In einer ersten Zusammenarbeit zwischen dem Haus der Kunst und der Bayeri­schen Staatsoper in München findet die Ausstellung zeitgleich statt mit Toshio Hosokawas Oper Hanjo, die in der Westgalerie des Haus der Kunst aufgeführt wird, und für die Rirkrit Tiravanija das Bühnenbild entwirft.

Die Praxis von Rirkrit Tiravanija konzentriert sich auf die künstlerische Produktion von sozialem Engagement, wobei er die Betrachter*innen häufig dazu einlädt, seine Werke zu beleben, an ihnen teilzunehmen und sie zu aktivieren, indem er sie in gemeinsame Rituale und Handlungen einbindet. Im Laufe seiner dreißigjährigen Karriere hat er Installationen, Malerei, Druckgrafik, Video, Fotografie, Mixed-Media-Assemblagen und Musik in seine Arbeit integriert. Seine Werke bringen stets Menschen zusammen - durch gemeinsames Kochen, Essen, Trinken und Spielen - und laden Betrachter*innen häufig dazu ein, seine Arbeiten zu bewohnen, daran teilzunehmen und sie zu aktivieren.

Rirkrit Tiravanija & Freunde im Haus der Kunst

Parallel zu den Aufführungen von Hanjo in der Westgalerie wird Tiravanijas Werk an verschiedenen Orten im Haus der Kunst präsentiert werden:

Teezeremonie. Westgalerie, 6. – 13.5.23, 11 – 15 Uhr
Während den Uhrzeiten, in denen Tiravanijas Bühnenbild für die Oper Hanjo ruht, lädt der Künstler die Besucher*innen ein, einer intimen Teezeremonie mit der japanischen Künstlerin Mai Ueda beizuwohnen und daran teilzunehmen, wobei er das Bühnenbild der Oper umgestaltet.

Tea Ceremony with Mai Ueda and Rirkrit Tiravanija. Photo Judith Buss

Siebdruck Workshop. Atelier, 6.5.23, 14 – 23 Uhr
T-Shirt-Druck-Workshops mit den Slogan-Entwürfen von Tiravanija. Die Texte für die Slogans wurden vom Künstler aus der Oper Hanjo entnommen und in einzelne Zeilen umgesetzt, die auch am Eingang des Gebäudes erscheinen. Das Bedrucken von T-Shirts ist ein ständiger Aspekt von Tiravanijas Praxis, der die Verbindungen zwischen Mode, Politik und Individualität herstellt. Der Workshop wird von Matias Becker angeleitet. Der Künstler Rirkrit Tiravanija wird anwesend sein.

T-shirt printing at Haus der Kunst. Photo Judith Buss

Bar, Angst essen Seele auf. Terrassensaal, 5. – 13.5.23
2017 schuf Tiravanija eine Neuverfilmung von Rainer Werner Fassbinders bahnbrechendem Film Angst essen Seele auf aus dem Jahr 1974 in einer einzigen Einstellung. Der Film spielt zum Teil in einer Münchner Bar, wo wir die Barkeeperin Barbara kennenlernen. Tiravanijas Remake ist auf einer vom Künstler entworfenen Bar installiert, die von Tiravanijas Barbara dem österreichischen Schauspieler Florian Troebinger aktiviert wird, der Bier oder Cola serviert und Gespräche führt.

Man kann Troebinger auch zu unangekündigten Zeiten in den Gängen und Galerien des Haus der Kunst antreffen. In Weiß gekleidet, belebt er ein Drehbuch aus dem Jahr 2005 neu, das Tiravanija zusammen mit Philippe Parreno verfasst hat und das das Œuvre des Künstlers in eine Erscheinung verwandelt.

“Angst essen Seele auf”, Installation view Haus der Kunst. Photo Judith Buss
“Angst essen Seele auf”, Installation view Haus der Kunst. Photo Judith Buss

Tischtennis, untitled 2013 (morgen ist die frage), Terrassensaal, 5.5. – 20.7.23
Eine Serie von Tischtennisplatten des Künstlers, untitled 2013 (morgen ist die frage), im Terrassensaal. Das Werk Morgen ist die Frage ist eine Wiederbelebung der Ping Pong Society, einer Idee des slowakischen Künstlers Július Koller (1939 – 2007), die erstmals 1970 in Bratislava gezeigt wurde. Koller stellte Tischtennisplatten in einem Ausstellungsraum auf und forderte die Besucher*innen auf, mitzuspielen. Sein Ziel war es, die Menschen zur aktiven Kontemplation anzuregen und zu motivieren, insbesondere zu den Themen der Zeit: Umwelt, Gesellschaft und Politik. In Kollers Fußstapfen treten Tiravanijas Tischtennisplatten mit der Aufschrift „morgen ist die frage" und laden die Besucher*innen ein, ihre passive Rolle abzulegen und sich aktiv zu beteiligen, indem sie spielen oder andere zum Spielen auffordern. Tiravanija betont menschliche Beziehungen, Interaktion und Engagement sowie eine kollektive Zentrierung auf die Fragen unserer ungewissen Zukunft.

Ping-Pong “untitled 2013 (morgen ist die frage)”, Installation view at Haus der Kunst. Photo Milena Wojhan
Ping-Pong “untitled 2013 (morgen ist die frage)”, Installation view at Haus der Kunst. Photo Judith Buss
Ping-Pong “untitled 2013 (morgen ist die frage)”, Installation view at Haus der Kunst. Photo Milena Wojhan

Video, untitled 2011 (pay attention), Eingang des Haus der Kunst, 5. – 29.5.23
Am Eingang des Museums wird die Videoarbeit untitled 2011 (pay attention) gezeigt. Das Werk konzentriert sich auf Tiravanijas Interesse an der sozialen Beziehung zwischen Bürger*innen, der Rolle der Regierung und persönlicher Freiheit und nimmt Bezug auf die Anti-Regierungsproteste von 2009-10 in Bangkok, Thailand.

Video “untitled 2011 (pay attention)”, Installation view Haus der Kunst. Photo Judith Buss

Poster und Banner, Eingang des Haus der Kunst, 5. – 29.5.23
Plakate schmücken die Fassade des Museums und ein doppelseitiges, neu in Auftrag gegebenes Banner hängt am Eingang des Haus der Kunst mit Slogans, die der Künstler aus dem Text der Oper Hanjo entnommen hat. Die beiden Slogans beziehen sich auf das Hauptthema von Hanjo, das Warten.

Installation view Haus der Kunst. Photo Judith Buss
HDK Rirkrit Tiravanija Photo Judith Buss 3
Installation view Haus der Kunst. Photo Judith Buss
HDK Rirkrit Vorabpressebild Judith Buss IMG 8664

Film Screenings, Auditorium, 5. – 29.5.23
Seit den 1980er Jahren arbeitet und experimentiert Tiravanija mit bewegtem Bild, was bis heute ein bedeutendes Medium in seiner Praxis darstellt. Die hier präsentierten Filme reichen von seinen wegweisenden Kollaborationen mit anderen Künstler*innen wie Philippe Parreno, Carsten Höller und Liam Gillick bis hin zu neueren Projekten im Bereich Film, wie Porträts seines Nachbarn Lung Neaw, einem pensionierten Reisbauern, oder seines Freundes, des Künstlers Karl Holmqvist, den er nach seiner Vorstellung eines perfekten Tages fragte. Das Programm beinhaltet auch das Werk Skip the Bruising of the Eskimos to the Exquisite Words Vs. If I Give You a Penny You Can Give Me a Pair of Scissors (2017), Tiravanijas akribische Nachstellung (oder Wiederholung) von Rainer Werner Fassbinders Angst essen Seele auf (1974). Die Aufnahmen entstanden auf einem Filmset, das in der Gavin Brown Enterprise in New York aufgebaut wurde. Dieses Set war eine Nachbildung und ähnelt vielen früheren Konstruktionen von Rirkrit, die als Nachbildungen oder greifbare Darstellungen vergangener oder gegenwärtiger Orte dienten. Das tägliche Film Screening schließt mit dem Film Chew the Fat (2008), der Interviews und Diskussionen mit einer Gruppe von Künstler*innen enthält, die ähnliche Ideen teilen, wie die Transformation sozialer Räume.

10.15 Uhr Stories Are Propaganda [Geschichten sind Propaganda] von Rirkrit Tiravanija und Philippe Parreno (2005), 08"26'
10.30 Uhr Vicinato [Nachbarschaft] von Carsten Höller, Philippe Parreno und Rirkrit Tiravanija (1995), 12"00'
10.45 Uhr Vicinato 2 [Nachbarschaft 2] von Liam Gillick, Douglas Gordon, Carsten Höller, Pierre Huyghe, Philippe Parreno und Rirkrit Tiravanija (2000), 11"22'
11 Uhr Lung Neaw Visits His Neighbors [Lung Neaw besucht seine Nachbarn] (2011), 152"54'
13.45 Uhr Karl’s Perfect Day [Karls Perfekter Tag] (2017), 93"30'
15:30 Uhr Skip The Bruising Of The Eskimos To The Exquisite Words VS If I Give You A Penny Will You Give Me A Pair Of Scissors [Überspring das Schlagen der „Eskimos“ und widme Dich den feinen Wörtern vs. Wenn ich dir einen Penny gebe, gibst du mir dann eine Schere] (2017), 101"28'
17.30 Uhr Chew the Fat [ugs. Plaudern] (2008), 124"40'

Rirkrit Tiravanija, film screenings. Photo Judith Buss

Oper, Hanjo, Westgalerie
Die Oper findet am 5.5.23, 8.5.23, 10.5.23 und 14.5.23 im Haus der Kunst statt.

Die Oper Hanjo basiert auf dem gleichnamigen modernen Nō-Theaterstück von Yukio Mishima (geb. 1915, Tokio, gest. 1970, Tokio), das von einem Drama aus dem 14. Jahrhundert inspiriert ist. Es erzählt die Geschichte der Geisha Hanako, die auf die Rückkehr ihres Geliebten Yoshio wartet, und erforscht die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit. Toshio Hosokawas einaktige Oper wird im Rahmen des „Ja, Mai" Festivals der Bayerischen Staatsoper gezeigt, in der Regie des belgi­schen Choreografen Sidi Larbi Cherkaoui, unter musikalischer Leitung von Lothar Koenigs und mit Kostümen des Modedesigners Yuima Nakazato.

Yukio Mishima “Hanjo”, Installation view Haus der Kunst. Photo Judith Buss
Yukio Mishima “Hanjo”, Installation view Haus der Kunst. Photo Judith Buss

Kuratiert von Emma Enderby mit Hanns Lennart Wiesner.

Die Aufführung von Hanjo von Toshio Hosokawa ist eine Kooperation des Haus der Kunst München mit der Bayerischen Staatsoper.