In diesem und den kommenden Jahren wird Sound zu einem wesentlichen Schwerpunkt in der Programmgestaltung des Haus der Kunst: Geplant sind eine Serie von musikalischen Performances im Haus, eine neue akustische Auftragsarbeit, die ein Jahr lang den Terrassensaal durchdringen wird, eine akustische Identität für allen Original-Onlinecontent sowie verschiedene akustische Events.
Das Programm TUNE ist zwischen den Welten angesiedelt, zwischen Sound, Musik und visueller Kunst. Es wird durchgehend im Museum präsent sein und mit den verschiedenen Ausstellungen in Dialog treten. Wiederum werden Augenblicke kollektiver Erfahrung und intensiven Einstimmens angeboten, und das Publikum wird eingeladen, in einzigartige Hörerlebnisse einzutauchen, denen man überall im Museum als Installation und Performance begegnet.
Das akustische Programm wird von Künstler*innen gestaltet, die in unverwechselbarer Weise erforschen, wie Sound die materielle Welt durchfließt, sich mit ihr überschneidet und sie verwandelt. In ihrer Arbeit mit Geschichte/n, die kollektiv und persönlich, wirklich und imaginär sind, beschwören sie das Unbekannte, um die Bedingungen der Wahrnehmung auszuloten, und zeigen, wie Klang sowohl orientierend als auch desorientierend wirkt.
Das Gehör ist der ursprünglichste der Sinne, aber gleichzeitig ist der Klang diejenige Ausdrucksform, die am leichtesten von ihrem Kontext zu befreien ist: Er kann sich frei durch und zwischen Kulturen bewegen und wird dabei ständig neu kodiert – und ausgebeutet, und oft als Mittel zur Ausbeutung verwendet. Achtet man nicht nur darauf, wie Klang gelesen wird, sondern lässt sich von ihm berühren – lebt eine Weile mit ihm –, so offenbart er seine ganze Fülle. Klang hat einen immens physischen Charakter und verbindet uns gleichzeitig mit dem Ätherischen. Die Künstler*innen dieses Jahres rücken diese Möglichkeiten des Klanges in den Vordergrund.
Indem sie seine Kräfte nutzen, um Erfahrung zu gestalten, Geschichten zu erzählen und Verbindungen herzustellen, befinden sie sich in einem Bereich, in dem Welten erschaffen werden können; ihre Arbeiten zeigen die Sorgfalt, mit der sie sich dieser Aufgabe widmen. In den Zeiten, in denen sie sich im Haus der Kunst aufhalten, werden sie das Publikum für zwei oder drei Tage in diese Welten einladen: Verschiedene Facetten der einzelnen Arbeiten werden als jeweils zwei Live-Performances, ergänzt durch ein Künstler*innengespräch, präsentiert. In manchen Fällen kommen Installationen und kurze Ausstellungen hinzu.
Die neue akustische Auftragsarbeit des Künstlers und Musikers Lamin Fofana wird von Juni 2021 bis März 2022 im Terrassensaal installiert sein. Zusätzlich wird er akustische Arbeiten schaffen, die den gesamten Online-Content des Hauses der Kunst begleiten, sowie mehrere akustische Happenings im Museum veranstalten. Die Präsentation seiner Arbeit verfolgt einen radikal neuen Ansatz und wird die Aktivität im Inneren des Museums mit seiner Online-Präsenz verbinden – mit der bleibenden Wirkung, die akustische Einflüsse auf unser Gedächtnis haben.
Live-Programm 2021
- 7. & 8.7. Nkisi
- 8.7. Lamin Fofana
- 23. & 24.9. Kelman Duran
- 8. & 9.10. Chuquimamani-Condori & Joshua Chuquimia Crampton
Künstler*innen-Info
Chuquimamani-Condori
Chuquimamani-Condori ist eine Künstlerin und Musikerin der Pakaxa Aymara Nation, die auch unter ihrem Staatsnamen Elysia Crampton Chuquimia gearbeitet hat. Ihre Arbeit konzentriert sich auf Fragen der Souveränität, der Physik und des queeren Widerstands. Sie verwebt Vergangenheit und Gegenwart in einem Tonfall, der die „Kakophonie der ersten Aurora“ gleichzeitig feiert und betrauert.
Chuquimamani-Condoris Arbeiten sind eng verknüpft mit traditionellem Wissen und traditionellen Praktiken der Aymara, eine der ältesten noch lebenden Volksgruppen der Hochanden in Südamerika. Die Amyara stellen sich z.B. vor, dass die Toten in jedem Lied eine Passage „nach-sprechen“. Ebenso wichtig ist ihnen das Konzept taypi – Zentrum –die Vorstellung, dass sich „Raumzeiten vermischen“ und die Zeit nicht linear verläuft. Ihre Klänge schöpfen aus dem Minimalismus der amerikanischen Westküste bis zur autochthonen Aymara-Musik aus den Anden; ihr aktuelles Album ORCORARA 2010 (2020), das ursprünglich 2018 bei der Biennale de l'Image en Mouvement aufgeführt wurde, verbindet akustische Gitarren, dröhnende Synthesizer, Klavier und gesprochenes Wort.
Joshua Chuquimia Crampton
Joshua Chuquimia Crampton lebt als Gitarrist, Komponist und Multimediakünstler in Los Angeles. Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen zählen 4 (2021) sowie The Heart’s Wash (2020), ein abendfüllendes Projekt mit Kompositionen für Sologitarre, die meditativ und irrlichternd klingen und gleichzeitig intuitiv, direkt und spontan. Er ist der Bruder von Chuquimamani-Condori (Elysia Crampton Chuquimia).
Kelman Duran
Kelman Duran arbeitet in seiner Kunst mit Klang und visuell außerdem ist er Kurator und DJ. Seine Arbeit ist motiviert durch eine tiefe Empathie mit entrechteten Gruppen, dem Kampf gegen Ungleichheit und Rassismus, und durch die Kritik an einer gesellschaftlichen Architektur, die diese Probleme bedingt und verstärkt. Immer wieder erinnert seine Arbeit auf prägnante Weise an diese Themen, seien es die intimen Porträts in seinem Film To the North, der von der Verzweiflung einer indigenen Gemeinschaft in South Dakota erzählt, sei es seine Musik, in die er Tonaufnahmen aus Suicidal Thoughts von Notorious B.I.G hineinmischt, um die Parallelen zwischen den elenden Lebensbedingungen in den Ghettos der Großstädte und dem Leben in den Reservaten aufzuzeigen. Man hört in seiner Musik Dembow, Hip Hop, Dancehall, und vor allem einen tiefliegenden Reggaeton; alles wird in einen Nebel aus Hall und Echo gehüllt, um einen amorphen, hypnotischen Sound zu erzeugen, in dem oft Trauer mitschwingt.
Lamin Fofana
Fofana lebt und arbeitet in Berlin als Künstler und Musikproduzent. Er wuchs in Sierra Leone und Guinea auf, zog 1997 in die USA und 2016 nach Deutschland. Er wurde bekannt sowohl im Bereich der elektronischen Musik als auch in der bildenden Kunst.
Seine elektronische Instrumentalmusik bringt Ideen zu Blackness, Migration, Vertreibung und Race mit etwas Jenseitigem in Verbindung und rückt nichtlineares Denken und Erleben in den Mittelpunkt.
Nkisi
Nkisi ist der Künstlername von Melika Ngombe Kolongo, die als Musikerin im Bereich der elektronischen Musik, als Produzentin und bildende Künstlerin arbeitet und derzeit in Berlin und London lebt. Ihr aufregender Sound ist bei vielen Einzel- und Gruppenausstellungen überall auf der Welt präsentiert worden. Für Nkisi ist Sound ein Portal zu verschiedenen Formen des Erlebens und Begreifens und hat eine große verbindende Kraft. Ihre Performances bestehen aus Überlagerungen von afrikanischen Rhythmen, harten europäischen Dance-Tropen und Synthesizer-Melodien. Sie sind von elektrisierender Energie.