Burcu Dogramaci und Gürsoy Doğtaş: "Rudolf Belling – Ästhetische und ideologische Kämpfe"
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Rudolf Belling, der mit Arbeiten wie der "Dreiklang" (1919) Inkunabeln der abstrakt-expressionistischen Skulptur schuf und an der Spitze der Avantgarde stand, zieht sich plötzlich für mehrere Jahrzehnte auf figürliche Plastiken zurück. Diese stilistische Ambivalenz wird 1937 sichtbar, als Bellings Werke in den zwei großen, einander antipodisch gegenüberstehenden Propagandaaustellungen "Entartete Kunst" und "Große Deutsche Kunstausstellung" gezeigt werden. In der Femeschau "Entartete Kunst" wird seine Arbeit "Dreiklang" diffamiert, während seine Skulptur des Boxers Max Schmeling als Ausdruck offizieller NS-Kultur in der "Großen Deutschen Kunstausstellung" präsentiert wird. Beide Ausstellungen finden nur wenige hundert Meter voneinander entfernt in München statt. Die zwei Skulpturen Bellings sind derzeit in der Ausstellung "Geschichten im Konflikt: Das Haus der Kunst und der ideologische Gebrauch von Kunst 1933-1955" zu sehen.
Matt Magazine, ein ArtistZine von Gürsoy Doğtaş, ist dieser Ambivalenz auf der Spur, die sich auch in Bellings weiterem Schaffen zeigt. 1936 geht der Bildhauer für 30 Jahre ins Exil nach Istanbul. Dort wird er an die Akademie berufen und entwickelt das Lehrprogramm für Bildhauerei. Diese Stellung in der jungen, laizistischen Türkei war gerade deshalb so prominent, weil die nach Identität suchende Republik insbesondere die Bildhauerei als Auftragskunst im Dienste des Staates verstand.
Die vielfältigen ästhetischen und ideologischen Übergänge und Brüche, die sich im Werk Rudolf Bellings manifestieren, werden im gemeinsamen Vortrag von Burcu Dogramaci und Gürsoy Doğtaş aufgezeigt. Zugleich möchte der Vortrag den historischen Narrativen der Kunstgeschichte folgen und sie erweitern, um ein freieres Assoziationsfeld zu eröffnen, welches dem Collage-Stil des Matt Magazines verpflichtet ist.
Im Anschluss an den Vortrag führt Sabine Brantl, Co-Kuratorin der Ausstellung "Geschichten im Konflikt", ein Gespräch mit Burcu Dogramaci, Gürsoy Doğtaş und der Künstlertochter Elisabeth Weber-Belling.
Prof. Dr. Burcu Dogramaci habilitierte sich zum Thema "Kulturtransfer und nationale Identität. Deutschsprachige Architekten, Stadtplaner und Bildhauer in der Türkei nach 1927". Seit 2009 ist sie Professorin für Kunstgeschichte am Institut für Kunstgeschichte an der LMU München. Derzeit ist sie Senior Researcher in Residence am Center for Advanced Studies der LMU München mit einem Forschungsprojekt zu "Kunst, Exil, Migration".
Gürsoy Doğtaş ist freier Kurator und Autor und seit 2006 Herausgeber des ArtistZine "Matt Magazine". Als Mitglied des Vorstands des kunstraum muenchen hat er zuletzt eine Einzelausstellung zum Werk von Oraib Toukan kuratiert. Seit 2012 ist er Stipendiat des Graduiertenkollegs "Versammlung und Teilhabe" an der Hafen City Universität in Hamburg.
Veranstaltung in deutscher Sprache